StartKommentarMarokko – Macron versucht in hitzige Debatte um Marokko beruhigend einzugreifen.

Marokko – Macron versucht in hitzige Debatte um Marokko beruhigend einzugreifen.

Französischer Präsident versichert Marokkanerinnen und Marokkanern Unterstützung zu.

Frankreich sieht sich zurückgewiesen, da Marokko auf offizielle Rettungsteams nach dem Erdbeben verzichtet hat.

Paris – Die öffentliche Diskussion über die Maghreb-Politik des französischen Präsidenten und einer diplomatischen Krise zwischen Paris und Rabat wird seit Monaten immer hitziger.

Gerade in den französischen Medien wird teils harsche Kritik an Marokko, an seinem König und auch an der marokkanischen Gemeinde in Frankreich, die die größte im Ausland ist, geäußert.
Seit einigen Jahren versucht Präsident Macron zusätzlich, eine Annäherung zu Algerien herbeizuführen, um Frankreich und Algerien auszusöhnen, was ihm einen Platz in der Geschichte seines Landes verschaffen würde, aber auch, um sich wieder mehr Einfluss auf seine ehemalige Kolonie und den dort vorhandenen Rohstoffen zu verschaffen.
Dabei scheint er billigend in Kauf zu nehmen, dass er die engen Beziehungen zu Marokko belastet, augenscheinlich soweit, dass seit Monaten eine Eiszeit zwischen Rabat und Paris herrscht.

Präsident Macron, der mehrfach versucht hat, zu einem Staatsbesuch nach Marokko eingeladen zu werden, scheint ganz persönlich in Rabat unerwünscht zu sein.

Zugleich rückt die Migrationsfrage immer stärker in den Fokus der politischen Diskussion und kulturelle Unterschiede wie Kleidung werden zum Thema gemacht.

Auch mit dem Blick auf die anstehenden Wahlkämpfe und dem Erstarken der politischen Rechten, wird die marokkanische Gemeinschaft dabei zur Zielscheibe gemacht, ähnlich wie in Spanien oder anlog anderer Gruppen in vielen Ländern Europas.

Begleitend legt die französische Medienlandschaft eine ggf. bisher vorhandene Zurückhalten hinsichtlich der marokkanischen Politik und der Staatsführung ab.
Die sicherlich auch an der ein oder anderen Stelle gerechtfertigte Kritik an Strukturen oder Verhaltensformen überschreitet in einigen Medien und öffentlichen Äußerungen die von der marokkanischen Gemeinschaft wahrgenommene Grenze des „Guten Geschmacks“.

Neuer Höhepunkt war die Diskussion, die daraus resultierte, dass Marokko keine Hilfe aus Frankreich angefordert hat, um die Rettungskräfte nach dem schweren Erdbeben im Atlasgebirge zu unterstützen.

Erst versuchte die französische Außenministerin Catherine Colonna in einem TV-Interview die Wogen zu glätten, behauptete gar, dass es im Verhältnis zu Marokko keine Probleme gebe, um dann zu betonen, dass es sich bei Marokko um einen souveränen Staat handele, der selbst bestimmen könne, wer um Hilfe gebeten wird und wer eben nicht. Doch die Diskussion beruhigte sich nicht.

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Frankreich und andere Länder äußern Kritik und Unverständnis, in Bezug auf die Entscheidung Marokkos nur wenige Rettungsteams aus dem Ausland zuzulassen.

Frankreich scheint sich düpiert und zurückgesetzt zu fühlen und damit ein großes Problem zu haben, dass sich eine ehemalige Kolonie fest und auch ablehnend positioniert. Das nordafrikanische Königreich hat sich sehr schnell für die zahlreichen Hilfsangebote und Beileidbekundungen bedankt und darauf hingewiesen, dass man die Lage erst einschätzen wird, um den Bedarf analysieren zu können.

Marokko wird teils hart wegen seiner Entscheidung kritisiert, keine Hilfe aus Frankreich angenommen zu haben und es werden meist politisch Ziele unterstellt, die das Land auch auf dem Rücken der Notleidenden nach dem schweren Erdbeben verfolgen würde.
Ähnliche Kritik kam auch in Deutschland auf und man sieht das Verhalten Marokkos mit der Westsahara-Frage verbunden. Dabei wird unterstellt, dass Marokko nur die Länder um Hilfe gebeten habe, die der Politik und dem Hoheitsanspruch auf die Westsahara wohlgesonnen seien.

Wenn man sich aber die Länder ansieht, die bisher um Hilfe und Rettungsteams gebeten wurden, Spanien, Großbritannien, Qatar, Portugal und die Vereinigten Arabischen Emirate, stellt man fest, dass die Länder, die den Hoheitsanspruch bereits anerkannt haben, fehlen, nämlich die USA und Israel. Israel war das erste Land, das umfangreiche Hilfen angeboten hatte und die Beziehungen sind auf zahlreihen Ebenen bereits sehr eng.
Auch Deutschland, dass den Autonomieplan, den das Land 2007 für die Westsahara vorgelegt hat, um den Konflikt zu lösen, ausdrücklich als mögliche Lösung im Rahmen des von der UNO geführten Friedensprozess unterstützt, ist nicht dabei. Dies müsste aber doch der Fall sein, wenn man in Rabat nur Länder einbeziehen möchte, die mutmaßlich die eigenen politischen Ziele unterstützen.

Marokko hat nach eigenen Angaben seine Entscheidung damit begründet, genau analysiert zu haben, welche Unterstützung man benötige und dann entsprechend bei den Ländern um Hilfe gebeten, die dazu passen.
Darüber hinaus will man die eigenen Ressourcen nicht durch Koordinationsaufgaben ausländischer Hilfsteams binden. Eine Vorgehensweise, die man nach einer Analyse bei ähnlichen Katastrophen, abgeleitet hat. „Viel“, heißt eben nicht immer, „Hilft viel“. Denn die Teams reisen zwar oft mit eigenen Flugzeugen oder Linienfliegern an, müssen dann aber vor Ort koordiniert, transportiert und versorgt werden, was bei ohnehin begrenzten Ressourcen schwierig werden kann. Viele Teams können naturgemäß aus logistischen Gründen auch das meist dringend benötigte schwere Gerät nicht ähnlich schnell mitbringen, wie die Retter vor Ort sein können.

Zugleich häufen sich die Meldungen, dass private Rettungsorganisationen aus Frankreich, Deutschland oder Israel im Land sind, was der französische Präsident Macron bezogen auf seine Landsleute in einer Videobotschaft indirekt bestätigt hat. D.h., kein Helfer aus Frankreich oder Deutschland ist an der Grenze wegen seiner Nationalität abgewiesen worden. Es geht also bei den “Verstimmungen” in Paris vielleicht nur darum, dass der Staat oder sein Staatsoberhaupt nicht um Hilfe gebeten hat?!

Andere befreundete Staaten aus dem Nahen Osten, der Golfregion oder aus Europa halten sich bereits bereit, um zumindest beim Wiederaufbau zu helfen. Eine Hilfe, die das Land in dieser Region vielleicht über Jahre benötigt.

Französischer Präsident versichert Marokkanerinnen und Marokkanern Unterstützung zu.

Niemand der von einer solchen Katastrophe getroffen wird, wird ernsthafte und sinnvolle Hilfe ablehnen. Auch Marokko wird dies nicht tun, es sei denn, man ist gezwungen sich vor Propaganda zu schützen, wenn man begründet vermuten muss, dass ein Hilfsangebot „vergiftet“ ist.

Zugleich setzt man auch auf die eigenen Ressourcen, die in den letzten Jahrzehnten ausgebaut wurden, denn die Marokkanerinnen und Marokkaner werden nicht müde zu betonen, dass das heutige Königreich nicht mehr das gleiche ist, wie man es vielleicht noch vor 30 oder 20 Jahren her gekannt hat.
Man ist stolz auf seine Entwicklung, auf die eigenen Ressourcen und entwickelten Fähigkeiten in der Bewältigung von Krisen. Es ist noch nicht lange her, da hat sich die Welt verwundert die Augen gerieben, wie das Land erfolgreich mit der COVID-19 Pandemie und der Impfkampagne umgegangen ist.

Allmählich scheint dies auch beim französischen Präsidenten anzukommen, der auch erkannt hat, dass diese aktuelle hitzige Debatte über Marokko in Frankreich, die abwertenden Äußerungen und teils Entgleisungen einen nicht mehr zu reparierenden Schaden in den Beziehungen hinterlassen könnten. Einem Vorwurf, den der ehemalige französische Präsident Sarkozy dem jetzigen Präsidenten Macron bereits vor Wochen öffentlich gemacht hat.

In einer kleinen Videobotschaft hat sich nun Präsident Macron an die Marokkanerinnen und Marokkaner gewendet.

Er hat gesagt:

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“Hallo, ich möchte mich direkt an die Marokkanerinnen und Marokkaner wenden, um Ihnen zu sagen, dass Frankreich erschüttert ist über das, was in der Nacht von Freitag auf Samstag passiert ist, über dieses schreckliche Erdbeben, und wir denken natürlich an die Opfer, ihre Familien und an die Verletzten. Und wenn ich Ihnen das sage, denke ich natürlich auch an all die Familien, die ihr Leben zwischen Frankreich und Marokko teilen und deren Schicksale miteinander verbunden sind.

Frankreich ist solidarisch, Frankreich steht an Ihrer Seite. In diesem Moment, der natürlich ein Moment der Trauer ist, aber auch ein Moment des Handelns und der Solidarität, möchte ich ein paar sehr einfache Worte sagen.

Ich habe in den letzten Tagen viel Polemik gesehen, die nicht angebracht ist.

Wir sind hier. Wir haben die Möglichkeit, direkte humanitäre Hilfe zu leisten.

Es ist natürlich Sache Seiner Majestät des Königs und der marokkanischen Regierung, die internationale Hilfe auf souveräne Weise zu organisieren. Wir stehen also für ihre souveräne Entscheidung zur Verfügung. Das haben wir von der ersten Sekunde an ganz normal getan.

Und so würde ich mir wünschen, dass alle Polemiken, die spalten und die Dinge in diesem bereits so tragischen Moment komplizierter machen, aus Respekt für alle und jeden verstummen.

Wir stehen heute an Ihrer Seite. Wir stehen auch an Ihrer Seite, indem wir Organisationen finanzieren, die seit dem ersten Tag vor Ort tätig sind, und wir werden dies auch weiterhin tun.

Ich selbst werde sie in einigen Tagen treffen. Und wir werden dauerhaft da sein: im humanitären Bereich, im medizinischen Bereich, beim Wiederaufbau, bei der kulturellen Hilfe und der Unterstützung des Kulturerbes, in allen Bereichen, in denen das marokkanische Volk und seine Behörden uns als nützlich erachten.

Wir stehen an Ihrer Seite, heute und in Zukunft.“

Reaktionen aus Marokko bleiben abzuwarten.

Eine solche Ansprache, sei sie im Kern gut gemeint, könnte angesichts der aktuellen politischen Lage, auch nach hinten gehen. Denn hier wendet sich der französische Präsident, über den Kopf der marokkanischen Regierung oder von König Mohammed VI. an das marokkanische Volk. Dies könnte man in Rabat bestenfalls als gutgemeinte Gäste bewerten und angesichts der wirklichen Herausforderungen entsprechend weniger hoch bewerten. Im schlimmsten Fall wertet es der Palast als Einmichung in innere Angelegenheiten, eine Art “Hinwegsetzen” über den Premierminister Aziz akhannouch und König Mohammed VI., denn beide werden in der Botschaft nicht direkt angesprochen.

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